RÖMISCHE TRILOGIE (UA) • NACH SHAKESPEARE • JOHN VON DÜFFEL

RÖMISCHE TRILOGIE (UA) • NACH SHAKESPEARE • JOHN V. DÜFFEL

Premiere – Samstag, 22. Oktober 2016

Regie: Klaus Kusenberg, Ausstattung: Günter Hellweg, Dramaturgie: Katja Prussas, Musik: Werner Treiber, Bettina Ostermeier

Ich spiele 3 Rollen – Junius Brutus, Markus Brutus, Lepidus
Foto © Marion Bührle

Inhalt

Shakespeare schrieb mit den „Römischen Tragödien“ drei Stücke, ein Opus magnum, in denen Politik, Gewalt und deren Mechanismen im Zentrum stehen. John von Düffels Trilogie versucht, ausgehend von Shakespeares Dramen, Fragen zur heutigen Krise unserer westlichen Demokratien zu stellen. Danach, ob die Menschen ihre politischen Ideale noch erreichen wollen und ob sie ihre konträren Standpunkte mit oder ohne Gewalt durchsetzen können. Eines scheint gewiss: Jede Zeit hat ihre Machtstrukturen und ihre Personen, die diese repräsentieren und sich für diese Strukturen einsetzen. Politik ist immer Menschenwerk und daher veränderbar.

Besetzung

Stefan Willi Wang (Coriolan (Cajus Marcius), Marc Anton, Antonius), Julia Bartolome (Virgilia, Portia, Cleopatra), Frank Damerius (Junius Brutus, Markus Brutus, Lepidus), Adeline Schebesch (Agrippinia, Wahrsagerin, Oktavia), Hubertus Hartmann (Titus Cominius, Cassius, Cisca), Stefan Drücke (Sicinius, Decius), Julian Keck (Aufidus, Casca, Octavius Cäsar), Thomas L. Dietz (Erster Senator, Trebonius, Ein Bote), Bettina Langehein (Bote, Bote, Eros), Werner Treiber (Musikus)

Kritik

Populisten, die das Volk mit Neid aufwiegeln, Kriegsbilder aus dem zerbombten Syrien, dazu ein fallsüchtiger Politiker wie Julius Cäsar, der an die schon vom Wahlkampf erschöpfte Hillary Clinton denken lässt: Es fehlt nicht an aktuellen Bezügen in der Nürnberger Uraufführung der „Römischen Trilogie“ von Shakespeare. Den Applaus hat sich das Team von Klaus Kusenberg und John von Düffel aber auch für ihre triumphale Umsetzung verdient – ein großer Theaterabend, spannend und spielerisch bis zuletzt.
Kusenbergs klares Konzept und Günter Hellwegs offene Bünne mit drei flachen Treppen, über denen – unter anderem – der römische Adler durchaus bedrohlich schwebt, geben den Akteuren den Raum, den sie für ihre Rollenkontraste brauchen.

In Unschuld müssen diese Herren, trotz ihrer adretten Anzüge, ihre Hände erst noch waschen. „Es lebe die Republik“, rufen sie laut und siegesgewiss, im Gruppenbild wie für die Kamera vereint – und die Hände, die sie ungeniert nach vorne strecken, sind rot verschmiert. Es. ist das Blut Cäsars, das noch an ihren Fingern klebt. Blut, das fließen musste, wie sie meinen. Demokratie – ein Business wie andere auch, vielleicht ein bisschen drastischer.
Brutus und seine Mannen, die selbsternannten Kämpfer für die Freiheit, haben die Stadt vom angehenden Tyrannen befreit – oder nicht? ln einer schwarzweißen Videosequenz hat man die Tat im Hintergrund gesehen, die tödliche Attacke der Messer, abstrakt wie in „Psycho“, von wildem Schlagzeug begleitet. Aber man könnte auch sagen: Es war Mord, brutal und sinnlos, nichts sonst. Wer soll das Dilemma für uns lösen?

„Julius Cäsar“, ein Stück von William Shakespeare, das nurmehr selten gespielt wird, heißt hier „Verschwörung“ – und kommt ganz ohne Julius Cäsar aus. Fast schon ein Gag, aber ein guter.
Denn es spricht für die Fassung, die John von Düffel geschaffen hat, dass sie auch ohne den Titelhelden funktioniert. Dass sie so, klug gestrafft und neu konzentriert, den Blick auf die politische wie moralische Kernfrage des Stückes lenkt: Was darf man im Namen des Volkes alles tun? Tut überhaupt jemand etwas im Namen des Volkes, genauer: für das Volk? Geht es nicht immer nur um Macht, um Besitz, um eigenen Vorteil, ganz egal in welcher Herrschaftsform?

Klaus Kusenbergs Regie hält einen von Anfang bis Ende gebannt im Sitz, über drei Stunden lang, ohne dass die Spannung nachlässt.
Gerade der an sich rein rhetorische Mittelteil, die „Verschwörung“, ist packend wie ein Thriller – wie „Terror“, aber historisch.
Denn diesem Brutus, den Frank Damerius – ein grandioser Auftritt! – als wahrhaft tragische Figur anlegt, kann man eigentlich nicht böse sein: Er meint es ehrlich, wie es scheint, will Rom davor bewahren, dass ein Einzelner zuviel Macht bekommt, zum neuen König wird. Cäsar hat man die Krone im Kapitol schon angeboten, drei Mal. Also muss er weg. Doch dann kommt Marc Anton und hält seine berühmte Trauerrede – in der er, ein Glanzstück aus ver,eindlicher Gerechtigkeit, Rache und Infamie, die Verschwörer als Mörderbande vorführt und selbst zum kunstfertigen Demagogen ansetzt.

Nürnberger Nachrichten – Wolf Ebersberger

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