IM WEISSEN RÖSSL • BENATZKY

IM WEISSEN RÖSSEL • BENATZKY

Vorstellungen – Samstag, 9. Juli 2016/Freitag 28.10.2016

Regie: Thoma Enzinger, mus. Leitung: Andreas Paetzold

Ich spiele Wilhelm Giesecke

Inhalt
Walzerseligkeit und zünftige Urlaubsstimmung machen den Charme des dreiaktigen Singspiels vor dem Touristen-Idyll des Salzkammerguts aus, in dem herzhaft essen und Herzen brechen so nah beieinanderliegen. In der rekonstruierten Uraufführungsversion aus dem Jahr 1930 erklingt das „Rössl“ dieser Tage revuehaft-frech.
Übernahme:
Ich werde in diesen beiden Vorstellungen der Wilhelm Giesecke, Trikotagenhändler aus Berlin spielen.
Besetzung

Tarmo Vaask (Musikalische Leitung), Heike Susanne Daum (Josefa Vogelhuber), Volker Heißmann(Leopold Brandmeyer), Frank Damerius (Wilhelm Giesecke), Isabel Blechschmidt (Ottilie), Martin Platz(Dr. Otto Siedler), Wolfgang Gratschmaier (Sigismund Sülzheimer), Richard Kindley (Kaiser Franz Joseph I.), Erik Raskopf (Prof. Dr. Hinzelmann), Eva-Marie Pausch (Klärchen), André Sultan-Sade(Piccolo Gustl), Andrea Jörg (Jodlerin), Stephanie Gröschel – Unterbäumer (Kathi ), Tobias Link(Fremdenführer), Adolf Pivernetz (Bergführer), Staatsphilharmonie Nürnberg,
Chor des Staatstheater Nürnberg, Bewegungsensemble des Staatstheater Nürnberg, Statisterie des Staatstheater Nürnberg

Kritik

Das Weiße Rössl am Wolfgangsee, Synonym für alpenländischen Charme, für spritzige Melodien und großes Gefühl, lässt das Publikum für gut drei Stunden tatsächlich alle großen und kleinen Sorgen vergessen. Man fühlt mit dem Zahlkellner Leopold, der mit allen Tricks und Finten um die Liebe seiner angebeteten Rössl-Wirtin kämpft. Man leidet etwas mit der Wirtin Josepha Vogelhuber, die ihrerseits unglücklich in den smarten Rechtsanwalt Dr. Siedler verliebt ist, der aber wiederum ein Auge auf Ottilie, die Tochter des Trikotfabrikanten Giesecke, geworfen hat. Und natürlich amüsiert man sich über den griesgrämigen, schimpfenden Giesecke, dem Inbegriff der Berliner (Groß-)Schnauze, und seinen skurrilen Zwist mit seinem Konkurrenten Sülzheimer. Doch am Schluss gibt es ja das große Happy End. Es ist das klassische Verwirrspiel, mit vielen Missverständnissen und ewig jungen Pointen, das diese Operette zu einem Klassiker seines Genres macht und auf einzigartige musikalische Weise österreichischen Charme mit Berliner Deftigkeit verbindet.

In dieser Inszenierung ist es allerdings der fränkische Charme, der dem Spiel ein besonderes Lokalkolorit verleiht. Es ist aber auch die Gratwanderung zum Kitsch, zum Possenreißen, wenn die Figuren überzeichnet werden oder die Leichtigkeit, die Spritzigkeit zu kurz kommen. In Nürnberg weit gefehlt. Hier wird kein rührseliger Kitsch gezeigt, sondern Komik und Revue-Operette im eigentlichen Sinne, mit tanzendem Chor und singendem Ballett. Das Staatstheater Nürnberg zeigt eine spritzige und urkomische Version dieser herrlichen Komödie, die in der rekonstruierten Originalpartitur der Uraufführungsversion von 1930 gezeigt wird.

Regisseur Thomas Enzinger hat nicht nur das Stück von allem überflüssigen Ballast entfrachtet, entstaubt und präsentiert ein dreistündiges Feuerwerk von Revuetheater, garniert mit Slapstick-Einlagen und Pointen und Gags, die sich auf aktuelle Ereignisse beziehen und wo die Lacher aus dem Publikum natürlich vorprogrammiert sind.

Der Star des Abends ist das Ensemble. Allen voran Volker Heißmann als Zahlkellner Leopold.  ••• Der Schauspieler Frank Damerius als Trikotagenfabrikant Wilhelm Giesecke gibt die Berliner Schnauze mit Herz so komisch und so bissig, dass man diesem alten Kotzbrocken wahrlich nicht lange böse sein kann. •••

Das Publikum, das schon während der Aufführung kaum an sich halten kann, jubelt am Schluss fast schon frenetisch dem gesamten Ensemble einschließlich der Musiker zu. Es sind erstaunlich viele junge Menschen im Publikum, und die haben eindeutig ihren Spaß. Vielleicht entdeckt der eine oder andere seine Liebe für dieses Genre und kommt wieder. Mit dieser liebenswert verrückten Inszenierung spricht das Staatstheater Nürnberg alle Generationen an, und das allein ist bemerkenswert und verdient Applaus.

Andreas H. Hölscher

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