DIE BESESSENEN • ROLAND SCHIMMELPFENNIG
DIE BESESSENEN •
ROLAND SCHIMMELPFENNIG
Premiere – Samstag, 28. September 2019
Regie: Jan Philipp Gloger, Bühne: Judith Oswald, Kostüme: Dorothee Joisten, Dramaturgie: Fabian Schmidtlein, Brigitte Ostermann, Musik: Kostja Rapaport
Ich spiele Kadmos – König von Teben
Sascha Tuxhorn (Pentheus), Ulrike Arnold( Agaue), Annette Büschelberger (Dionysos / Chor der Mänaden), Anna Klimovitskaya (Dionysos / Chor der Mänaden), Cem Lukas Yeginer (Dionysos / Chor der Mänaden), Frank Damerius(Kadmos), Felix Mühlen (Teiresias), Yascha Finn Nolting (Ein Bote)
Jan Philipp Gloger inszeniert zum Saisonstart des Nürnberger Staatsschauspiels „Die Besessenen“, eine Bearbeitung der „Bacchen“ des Euripides, die Roland Schimmelpfennig 2016 für das Theater Basel anfertigte. Seine Version des antiken Stücks bleibt diesem im Kern sehr treu, ist aber schlank, nüchtern, modern, im Grunde ein Sprachchamäleon wie die Rede, die Gloger dem Stück voranstellt.
Egbert Toll – Süddeutsche Zeitung
„Jan Philipp Gloger konnte bei seiner risikofreudig mit Süffisanz und Brutalität balancierenden, durchaus ‚besessen‘ Stimmungs-Gegensätze ausreizenden Spielweise auf ein bestens harmonierendes Team setzen. Pointierte Dialogregie – es gilt das geschliffene Wort – machte die halbe Miete. Die offene Bühne von Judith Oswald und die Welten verbindenden Kostüme von Dorothee Joisten hatten alle Voraussetzungen geschaffen. Die zurecht ausgiebig gefeierten Schauspieler*innen geben der zweiten Nürnberger Gloger-Saison viel Schwung.“
Zunächst musste der Blick von einer Standardsituation gelöst werden. Das Rednerpult vor dem Vorhang, flankiert von zwei Blumenkübeln, verweist auf die Bedrohung durch Festakte. Doch dann stolpert Teiresias, der Seher mit den toten Augen (extra trocken: Felix Mühlen), auf der Suche nach Freund Kadmos im Rollstuhl (ein Kauz mit Tiefgang: Frank Damerius), krachend über das Repräsentationsgemüse, und wenn sich beide aneinander hochgerappelt haben, kann der Symbol-Ersatzdienst im Blumenkränzchen auf der anderen Seite der Wahrnehmung beginnen: Der Blinde führt den Lahmen zum dionysischen Tanz-Kult, wo die verführten Frauen toben.
Dieter Stoll – Nachtkritik
Glogers Botschaft sei klar: „Jede Weltanschauung – das dionysische Prinzip wie die Law-and-Order-Mentalität Pentheus‘ – wird durch unreflektierten Fanatismus destruktiv. Identität ist nichts ein für alle Mal Festgefügtes, in sich Konstistentes, sondern in stetem Wandel begriffen, von Brüchen, Uneindeutigem und Widersprüchen durchsetzt“, schreibt Katharina Tank im Donaukurier (30.9.2019). „Man mag sich darüber streiten, ob das einst Euripides‘ Absicht gewesen ist. Doch der sehenswerten, über weite Strecken fesselnden Inszenierung gelingt es – nachgerade mithilfe der Neuübertragung, die Alltagssprache und antike Verse organisch zusammenfügt –, das antike Stück auf seine Bedeutung für unsere Gegenwart hin zu befragen und dabei zu einer eigenständigen, zeitgenössischen Deutung zu gelangen.“
Die Inszenierung lege sich auf keine Lesart fest und die Zuschauer etwas ratlos zurück, schreibt Katharina Erlenwein in den Nürnberger Nachrichten (30.9.2019). „Wer sich diesem Rätsel (und ein paar schlechten Kalauern – ‚Pentheus, der mit dem Penthouse!‘) stellen und das guteingespielte Ensemble erleben will,ist hier richtig.“
Comments are closed.