DIE RÄUBER • SCHILLER

DIE RÄUBER • SCHILLER

Zwischen 1991 und 2001 inszenierte ich am Hessischen Landestheater Marburg neben meiner Arbeit als Schauspieler auch regelmäßig.

Es entstanden in dieser Zeit 17 Inszenierungen der unterschiedlichsten Richtungen.
Ganz besonders gern habe ich für Kinder gearbeitet.
Die am Theater oft ungeliebten Weihnachtsmärchen waren immer auch eine Herausforderung für mich.
Neben diesen Stücken, waren es aber vor allem die Klassiker die mich interessierten.

Sehen sie sich einige Bilder meiner Inszenierungen an.
Lesen sie Kritiken und schauen Sie, welche Schauspieler die Rollen in diesen Stücken spielten.

DIE RÄUBER

Besetzung
Regies
Ausstattung
Assistenz
Frank Damerius
Axel Pfefferkorn
David Gerlach
Darsteller
Maximilian v. Moor
Karl v. Moor
Franz v. Moor
Amalie
Spiegelberg
Schweizer
Schwarzl
Razmann
Schufterle
Roller
Kosinsky
Hermann
Daniel
Fred Graeve
Holger Schmidt
Jan Krawszick
Wiebke Adam
Thomas Meier
J. Helmut Keuchen
Christian Pfeil
Tom Jakobs
Harald Schwamm
Frank Siebenschuh
Frank Siebenschuh
F. M. Schwarzmann
Frank Damerius
Kritik

Heimkehr in den Tod
Das Marburger Schauspiel zeigt als Freilichtaufführung auf dem Lutherischen Pfarrhof „Die Räuber“ – und nicht nur das Premieren – Wetter spielte mit

Express

Schon in seinem dramatischen Erstling zielte der damals 21jährige Friedrich Schiller aufs Ganze. Menschen stoßen wie Galaxien aufeinander, schlagen Funken und lassen nichts als Verwüstung hinter sich. Jeder Satz will den Lauf der Weit bezwingen, doch verwundet er nur den, der ihn im Munde führt. „Ein tintenklecksendes Säkulum“ gebärt kraftstrotzende Antihelden, deren Greueltaten den feudalen Amoralitäten, wider die sie als „Räuber“ auszogen, in nichts nachstehen.
Sentimentalität und Leidenschaft, Raserei und Strategie führen letztlich nur zur Einsicht in die Verderbtheit des Menschen und die Fragwürdigkeit humanistischen Engagements. Vor allem diese fatalistische Weitsicht trug dem Schauspiel seinen dramaturgischen Ungeschicklichkeiten zum Trotz bis heute nicht minderbare Aktualität ein. Ewig unentscheidbar scheint die Frage, was den Menschen ausmacht: sein Drang nach Gemeinschaft oder seine Unfähigkeit, diese auszuhalten.
Wenn Franz von Moor, der Person gewordene Materialismus und Atheismus, die leere Holzbühne vor der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien betritt, ergreift ein skrupelloser, gleichwohl kindlich trotziger Schönling das Wort. Jan Krawczyk zeigt einen seiner selbst fortwährend ungewisser werdenden Machtmenschen, der aus Hilf- und Ratlosigkeit zum Mörder wird – gewiß, aus Machtgier auch. Es gilt schließlich, den Vater wie den erstgeborenen Bruder zu beseitigen, um selbst Graf von Moor zu werden. Doch sichtbar wird nicht der Antrieb der Intrigen, sondern gerade das Fehlen einer Motivation. Statt dessen entschloß sich Regisseur Frank Damerius, sämtliche Monologe, die naturgemäß erläuternden Charakter haben, als Tonbandeinspielung zu vergegenwärtigen. Mit diesem bezwingenden Einfall entsteht nicht nur ein ungemein dichtes Netz der Subtexte, das den Abend intensiviert und strukturiert, vielmehr gelingt hierdurch das Kunststück, aus dem heute schwer zugänglichen Pathos der Betroffenheit ein allzeit unmittelbares Pathos der Distanz zu machen.
Diesem Konzept der Entschlackung dient auch eine wohltuend nüchterne Spielweise der meisten Protagonisten, die einen verbliebenen Hitzkopf wie Moritz Spiegelberg als den manischen Wirrkopf und Nonnenschänder anschaulich macht, den Schiller sich wohl wünschte. Thomas Meyer nutzt durch kraftvoll engagiertes Spiel auf beste Weise die Möglichkeiten, die das Außenseitertum der Rolle bietet.
Daß er sich im ersten Teil der Inszenierung derart in den Vordergrund spielen kann, liegt jedoch auch an dem einzigen Fehlgriff des Ansatzes oder aber der Verweigerung eines Schauspielers. Sicherlich ist es eine Möglichkeit, die Emotionen auch Karls von Moor als ieise Implosionen aufzufassen. Wenn dieser „feurige Geist“ sich aber als „der Glücklichste unter der Sonne“ begreift oder später“eine Armee in meiner Faust“ spürt und beides und alles darüber hinaus mit der gleichen gelangweilten Noblesse dessen spielt, der des Lebens längst überdrüssig ist, klafft zwischen Rede und Gebaren ein trübsinniger, ein unsinniger Riß. Fast zwei Stunden müssen vergehen ‚ ehe Holger Schmidt mehr als konzise Textkenntnisse zum Gelingen des Abends beiträgt. Schade drum. Ansonsten aber präsentiert das Marburger Schauspiel dank Frank Damerius‘ intelligenter und sensibler Regie sich in seit langem bester Form. Wie immer wieder die Figuren innehalten und gefrieren zu Tableaus der Einsamkeit; wie eine variantenreiche, doch nicht überbordende Musik das Geschehen vorausdeutet oder zum Stillstand bringt; wie aus dem Spielfluß heraus Formationen sinnlicher Geometrie entstehen: dies alles zeugt von Ideenreichtum und szenischem Gespür.
Als das Sterben zu einem vorläufigen Ende gebracht ist, bittet ein vom Regisseur hinzugefügtes und von ihm auch dargestelltes Wesen die Seinen zu sich. Es ist der Tod, der seit dem Schwur der Studenten, eine Räuberbande zu bilden, ständiger Begleiter gewesen ist. Zu den Klängen liturgischer Chöre hat er die verfeindeten Brüder in seinem Reich wieder vereint. Eitel war ihr Streben von Anfang an, Staub ist der Mensch, groß nur der Tod: ein barokkes Ende vor 700jähriger gotischer Kulisse. Famos.

Glänzende Schauspieler auf dem Kirchplatz
Freilichtaufführung von Schillers »Die Räuber« vor der lutherischen Pfarrkirche in Marburg
Dagmar Klein, Neue Marburger Zeitung

Im Wald da sind die Räuber, juppheidiheida. Und zur Zeit hausen sie auch unter dem frischen Buchengrün an der Pfarrkirche zu Marburg. Schillers »Räuber« als Freilichtaufführung, das bietet sich vom Ort des Spielgeschehens her an, aber warum neben dem übermächtigen Gemäuer der ältesten Pfarrkirche Marburgs? Wo ist der Zusammenhang, außer im Feiern des 700jährigen Bestehens der lutherischen Kirche. Das Glockengeläut Punkt neun Uhr begleitet effektvoll das langsame Heranschreiten des Sensenmannes, an der Kirchenaußenwand prangt die Ahnengalerie der reichsunmittelbaren Grafenfamilie von Moor und beim Suizid des jungen Grafen Franz wird die moralische Instanz Kirche sozusagen materialisiert ins zuschauende Bewußtsein gerückt. Warum wird dieses erste Drama Schillers, das heftig von der Leidenschaft der (männlichen) Jugend durchpulst ist, heutzutage aufgeführt? Es erzählt von Machtgelüsten und Ränkeschmieden, von menschlichen Unzulänglichkeiten und vor allem von männerbündischem Verhalten, insoweit immer noch aktuell. Es gibt eine einzige Frauenrolle: Amalia, die nicht nur von Edelreich heißt, sondern sich auch so verhält. Getreu dem romantischen Idealbild von den veredelnden Kräften der Frauennatur, ist sie die einzig Liebende, die sich selbst und der Wahrheit verpflichtet bleibt. Wiebke Adam verleiht dieser Figur Glaubhaftigkeit und überschäumendes Temperament.
Schiller war Militärarzt, als er dieses Stück schrieb, kannte also die Kehrseite der vielgerühmten Ehre des Auf-dem-Schlachtfeld-enden. Und er empörte sich gegen die Vorherbestimmung qua Geburt, die Zweitgeborene (hier: Franz) so krass benachteiligt, daß sie aufbegehren und intrigieren bis zum Vater- und Brudermord. Jan Krawcyk mimt die klassische Rolle des jugendlichen Helden mit leisen Tönen und verhaltenen durchscheinendem Irrsinn. Seine Dialoge sind von Ambivalenz und Scheinheiligkeit geprägt, sein eigentliches, kalt berechnendes und materialistisch orientiertes Denken schallt laut und deutlich vom Band.
Den Part des verstoßenen Adligen Karl, der ungewollt zum Hauptmann einer höchst heterogenen Räuberbande wird, übernimmt Holger Schmidt. Er suchte die Vaterliebe und nahm als Ersatz die trügerische Gemeinschaft der Bande. Er fand die Liebe seiner Verlobten Amalia, die ist ihm nicht wert genug“ um sich von den sinnentleerten Schwüren der Bande zu trennen. Das ursprüngliche, aber wirre Ziel der individuellen Freiheit reduziert sich auf die Freiheit des Selbstmords. Für beide~ Grafensöhne.
Zum Schluß sind vier Leichen dekorativ über den Kirchenvorplatz verteilt. Was bei der enthusiastisch gefeierten Uraufführung 1782 Tumulte und Gefühlsausbrüche bei den Zuschauern hervorrief, wirkt heute unverständlich bis lächerlich. Das grandiose Pathos und überzogene Ehrgefühl wird von der Inszenierung (Frank Damerius) noch unterstrichen, in den eingefrorenen Szenen mit den großen Posen etwa; oder bei Franzens Suizid, wenn er auf dem Rollstuhl stehend, in geblähtem Nachtgewand sich an der gräflichen Standarte aufknüpft; oder wenn der totgeglaubte greise Vater (Fred Graeve) aus dem Verlies herauskriecht und mit brüchiger Stimme die Sargdeckel-wieder-zu-Szene von sich gibt. Und die abstruse Schlußszene. Ungläubiges Entsetzen darüber, was die psychologische und kulturelle Tradition unserer Gesellschaft ist.
Mit einfachen Mittel ist der Kirchplatz strukturiert: auf einem Holzpodest spielen die Schloßszenen, unter den Bäumen lagern die Räuber. Die wild entschlossenen Auf- und Abgänge der Bande, deren Reihen durch Statisten aufgefüllt sind, spielen sich auf der Gasse hinter der Kirche ab. In ihren schwarzen langen Mänteln und den ledernen Hosen erinnern sie an die verzweifelten Helden aus »Spiel mir das Lied vom Tod«; der Eindruck wird noch unterstützt durch die präzise eingesetzte dramatisierende Hintergrundmusik, wie im Film eben.
Die verschiedenen Typen der Ex-Studiosi geben: Thomas Meyer als die Meute begeisternder Spiegelberg, Jürgen Helmut Keuchel als der ruhige und bis in den Tod getreue Schweizer, Frank Siebenschuh als nachdenklicher Intellektueller, Harald Schwamm als sächselnder Schweizerle, Christian Pfeil als Schwarz und Tom Jacobs als Razmann. Der Regisseur Frank Damerius spielt den alten Diener und Franz-Michael Schwarzmann überzeugt als düpierter Handlanger Hermann und rhetorisch auftrumpfender Pater, der sich als Mittelsmann der Herrschenden ins Räubernest wagt.
Aus organisatorischen Gründen wird das gut zweistündige Stück nur noch diese Woche bis Pfingstmontag gespielt. Das Sitzgerüst das für Rückenkranke nicht zu empfehlen ist, war bei der regenfreien Premiere am Samstag Abend bis zum Achzen ausgebucht. Das Publikum honorierte begeistert die schauspielerische Leistung und die von der Regie gekonnt genutzte Naturbühne, die mit zunehmender Dunkelheit noch an Atmosphäre gewann.

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