GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG • HORVATH

GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG • HORVATH

Premiere – Samstag, 16. Juni 2013

Regie: Georg Schmiedleitner, Bühne: Stefan Brandmeier, Musik: Roderik Vanderstraeten, Dramaturgie: Katja Prussas

Ich spiele den Amtsgerichtsrat
Foto © Marion Bührle

Inhalt

Es geht sehr schnell. Elisabeth bietet ihre zukünftige Leiche „weil sie nichts mehr zum Fressen hat“ und dringend 150 Mark benötigt, um eine Vorstrafe abzubezahlen, da sie ohne Wandergewerbeschein gearbeitet hat, schon mal im Voraus für Forschungszwecke dem Präparator des Anatomischen Institutes an. Er hat Mitleid und borgt ihr, nicht ohne Hintergedanken, Geld. Bevor sie jedoch ihre Schulden an ihn zurückzahlen kann, verliert sie, weil sie keinen nennenswerten Umsatz erbringt, ihre Arbeitsstelle. Der Präparator fühlt sich von ihr hintergangen, erstattet Anzeige und sie wird wegen Betruges zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Aber Elisabeth wäre nicht Elisabeth wenn sie den Kopf hängen ließe. Als sie sich in den Schupo Alfons verliebt, könnte das Leben für sie eine bessere Wendung nehmen, doch weit gefehlt – kurz darauf steht Elisabeth tatsächlich am Abgrund.
Horváth beschreibt in seinem Stück aus dem Jahre 1932 in Zusammenarbeit mit dem Gerichtsreporter Kristl basierend auf dem wahren Fall einer Korsettvertreterin, die zunehmende, soziale Isolation einer jungen, tatkräftigen Frau, die an den Verhältnissen und an der sie verachtenden Gesellschaft scheitert. Denn die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg lauert überall, es geht eben sehr schnell.     —   „Glaube Liebe Hoffnung könnte jedes meiner Stücke heißen.“
Ödön von Horváth

Kritik

Die Nürnberger Bühne von Stefan Brandtmayr zeichnet allerdings keinen Abgrund, sondern im Gegenteil ein haushohes Gefängnis, einen schwarzen, von schwachem weißem Licht beleuchteter Kerker. Aus zwei ineinander verschalten halboffenen Rundbauten besteht diese Todesarchitektur, die jeden Moment ruckartig in Bewegung geraten kann, ein Karussell, unberechenbar wie das Schicksal oder die Weltpolitik, eine Burg, ein grässlicher hässlicher Machtapparat. Sobald er sich öffnet, spuckt er sein Personal aus, in Reih und Glied lauern oder marschieren dann die, die das sind, was man die Gesellschaft nennt, der Präparator und der Oberpräparator, der Amtgerichtsrat oder der Schupo. Elisabeth, Horváths Hauptfigur, versucht an diesem Mauerwerk Halt zu gewinnen, doch der Apparat stößt sie ab und zurück, sie fliegt und stürzt in ihrem lichtblauen Mädchenkleidchen, nur mit Söckchen ausgestattet gegen die Brutalität des Lebens.
Barbara Bogen – B5 Kultur – 02.06.2013

Sukzessive verliert diese Elisabeth ihre Haltung. Der Kopf rutscht nach vorne, die Arme baumeln immer verlorener am Körper herunter, und die Augen werden leerer, wässriger. Ein anrührendes Bild menschlicher Verzweiflung. „Eine Wette auf Erfolg“ hat Nürnbergs Schauspieldirektor Klaus Kusenberg das Vorhaben genannt, als Gastgeber der diesjährigen Theatertage mit einer Premiere zu starten — schließlich zeigen die geladenen Gasttheater nur ihre stärksten Saison-Leistungen. Dass Kusenberg seine Wette gewonnen hat, dafür muss er sich bei Josephine Köhler bedanken, die Georg Schmiedleitners Inszenierung das Kraftzentrum gibt.
Florian Welle – Süddeutsche Zeitung – 03.06.2013

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