DER DRACHE • SCHWARZ
DER DRACHE • SCHWARZ
Zwischen 1991 und 2001 inszenierte ich am Hessischen Landestheater Marburg neben meiner Arbeit als Schauspieler auch regelmäßig.
Es entstanden in dieser Zeit 17 Inszenierungen der unterschiedlichsten Richtungen.
Ganz besonders gern habe ich für Kinder gearbeitet.
Die am Theater oft ungeliebten Weihnachtsmärchen waren immer auch eine Herausforderung für mich.
Neben diesen Stücken, waren es aber vor allem die Klassiker die mich interessierten.
Sehen sie sich einige Bilder meiner Inszenierungen an.
Lesen sie Kritiken und schauen Sie, welche Schauspieler die Rollen in diesen Stücken spielten.
Besetzung | |
Regie Ausstattung Dramaturgie Regieassistenz Choreographie | Frank Damerius Klaus Weber Ulrike Rohde Claudia Adhikary Charles Guillaume |
Darsteller | |
Der Drache Lanzelot Bürgermeister Heinrich Charlesmagne Elsa Kater Erste Freundin Zweite Freundin Weber, Gärtner Hutmacher Schneider Schmied Dritter Bürger | Thomas Streibig Thomas M. Held Peter Radestock Peter Liebaug Fred Graeve Miriam Ternes Ronald O. Staples Cornelia Schönwald Kerstin Westphal Gabriel Spagna Jochen Nötzelmann Christof Küster Jürgen H. Keuchel Bernd Kruse |
Komm, gehen wir diktieren!
Kritik Express / Marburger Magazin von Martin Meyer-Stoll
Demokratie ist schön, macht aber viel Arbeit. Deswegen sind kommode Diktaturen so schwierig aus der Welt zu schaffen, wie Jewgeni Schwarz in seiner Märchenkomödie Der Drache zeigt
Ambitionen kann man dem Marburger Schauspiel wirklich nicht absprechen: Politisch will es sein, modern, sogar gezielte Abonnentenverstörung traut es sich inzwischen zu. Speziell Frank Damerius bemüht sich in seinen Inszenierungen, dem Publikum das Lachen im Halse stecken bleiben zu lassen. Nach Heiner Müllers „Die Schlacht“ hat er diesmal einen grundverschiedenen Ausgangsstoff mit ähnlichen Mitteln bearbeitet – und war dabei ähnlich erfolgreich.
Die Story ist simpel: Dreiköpfiger Drache fordert von Stadt Unmengen Futter und jährlich eine Jungfrau, dafür beschützt er die Bürger vor Cholera und bösen Feinden Arbeitsloser Superheld kommt vorbei und macht den Drachen platt, die Bürger sind aber keine Selbstverantwortung gewohnt und lassen sich sofort die nächste Tyrannis überstülpen. Superheld kommt zurück und ist verdammt sauer … Ein Stoff, der von der Sowjetregierung 1943 sofort verboten wurde, obwohl er sich vordergründig gegen die Nazis richtete, ein Stoff, aus dem Wolf Biermann 1970 eine Agitprop-Bearbeitung namens „Der Dra-Dra“ machte – was macht man daraus wohl im Jahr 2000?
Frank Damerius macht daraus Agit-Pop: Los geht’s mit einem „Moonwalker“-Ballett, die Bürger laufen in Pet-Shop-Boys-Kostümen herum, der Präsident sieht aus wie Pinochet, und zwischendurch kommt doch tatsächlich Werbung. Videomonitore gemahnen an „1984“ wie an aktuelle Diskussionen, der Drache tritt auf wie Galactica in „Hallo Spencer“, und Lanzelots Kommentar könnte lakonischer nicht sein: „Krass!“ Schon in der Pause wird deutlich, dass das nicht jedermanns Sache ist; zwei ältere Damen können mit der Inszenierung rein gar nichts anfangen, während ein ca. zehnjähriger Premierengast total begeistert ist.
Aber Klasse hat das schon. Die Arbeitsteilung zwischen Damerius, Ulrike Rohde (Dramaturgie) und Charles Guillaume (Choreographie) funktioniert offensichtlich gut, wobei „Der Drache“ zu einem großen Teil von Klaus Webers liebevoller Ausstattung lebt. Die Botschaft des Stückes wird nicht mit der Brechstange, sondern per Lachmuskelreizung transportiert (wobei etwas weniger Klamauk es auch getan hätte), das Stück macht schlicht Spaß und endet trotzdem … Stop. Selber anschauen!
Ritter der traurigen Gestalt als Freiheitskämpfer
Frank Damerius inszenierte die Parabel »Der Drache« von Jewgeni Schwarz am Hessischen Landestheater Marburg
Kritik der Gießener Allgemeinen Zeitung / Gießen von Marion Schwarzmann
Ein Stacheldrahtzaun trennt die Zuschauer im Marburger Erwin-Piscator-Haus bedrohlich vom Geschehen auf der Bühne, an der Grenze patroullieren finstere Wachsoldaten mit Hunden – und schnell wird klar: Aus diesem totalitären Staat gibt es kein Entrinnen. Doch einer tritt an, das geduckte Volk von seinem Regime zu befreien: Lancelot, ein Ritter von der traurigen Gestalt, ein Landstreicher in Gesundheitslatschen, der häufig einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann braucht, um sich Mut für den Kampf gegen den Drachen anzutrinken. Aber die Bewohner wollen eigentlich gar nicht ihres Willkürherrschers entledigt werden, haben sie sich doch längst mit seinen Machtmechanismen arrangiert.
Jewgeni Schwarz‘ märchenhaftes Stück »Der Drache«, 1944 als Parabel auf die Hitler-Diktatur verfasst, erschien damals auch dem stalinistischen Apparat suspekt. Was fangen die Menschen mit ihrer neu gewonnenen Freiheit an, nachdem Lancelot in einer wüsten Fantasy-Schlacht das wabernde Ungeheuer – hier zeigt die Bühnentechnik ihr ganzes Können! – besiegt hat? Fröhlich respektieren sie den nächsten Diktator: Peter Radestocks latent verrückter Bürgermeister mutiert zum Machthaber in Operetten-Uniform mit gefährlichen Launen. Unterstützt wird er von Peter Liebaug als geflissentlichem Wendehals Heinrich, der vorher schon in Diensten des Drachen stand, den Thomas Streibig mal als väterlichen Freund mit Jägerjoppe und Pfeife, dann als Gruselmonster vom anderen Stern mit blinkenden Augen und verzerrter Stimme gibt.
Was vorher schwarz war, leuchtet nach dem Machtwechsel nun weiß: Die maskenhafte Bevölkerung hat zwar ihre Einheitskleidung gewechselt (Ausstattung: Klaus Weber), aber ihre Gesinnung nicht. Und so verschärft Regisseur Frank Damerius das Ende seiner phantasieanregenden Inszenierung. Kein Happy End a la Schwarz, bei dem sich die Liebenden finden – Thomas M. Held als verspielter Lancelot und Miriam Ternes als gestrenge Elsa -, stattdessen die ernüchternde Botschaft im radikalen Schlussbild: Die Menschen haben die Demokratie nicht verdient, wissen sie doch gar nicht mit ihr umzugehen.
Das Marburger Schauspiel agiert mit großem Ensemble, das auch das ein oder andere absurde Tänzchen aufs Parkett legen muss. Auch wenn die Leistung diesmal nicht ganz so geschlossen wirkt wie bei Damerius‘ brillanter Inszenierung von Heiner Müllers »Schlacht«, kommt keine Sekunde Langeweile auf.
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