ABGEFRACKT • ALISTAIR BEATON

ABGEFRACKT • ALISAIR BEATON

Premiere – Samstag, 28. Oktober 2017

Regie: Klaus Kusenberg, Bühne: Beate Fassnacht, Günter Hellweg, Kostüme: Bettina Marx, Dramaturgie: Katja Prussas, Musik: Bettina Ostermeier

Ich spiele Jack, Geschäftsmann im Ruhestand
Foto © Marion Bührle

Inhalt

„Lügen funktioniert nicht mehr. Die Banken, die Versicherungen, VW, Politiker, alle lügen wie gedruckt“, ruft Joe, Leiter der PR-Agentur Moxley Biggleswade, aus Angst, die falsche Marketingstrategie für einen Großkunden entwickelt zu haben. Er schickt ein „fucked“ hinterher. Kein Wunder, handelt es sich bei dem Auftraggeber um ein Unternehmen, das mithilfe modernster Bohrtechnik in mehr als anderthalb Kilometer unter der Erdoberfläche Öl und Gas fördert. Elizabeth, Professorin im Ruhestand, wird zu Joe’s Gegnerin, als sie sich für den Erhalt von Wäldern und Wiesen, sowie sauberen Wassers engagiert. Mutig spricht sie bei einer politischen Versammlung das aus, was sie denkt. Sie verhandelt mit einflussreichen Persönlichkeiten, von Demonstrationen hält sie sich fern. Jenny und Sam, ihre jüngeren Freunde, mit social media bestens vertraut, wenden das Blatt: über Nacht wird Elizabeth als Fracking-Gegnerin weltberühmt. Die Anti-Fracking-Bewegung braucht eine Identifikationsfigur. Die Professorin im Ruhestand wäre ideal dafür geeignet, würde sie selbst nicht stets darüber reflektieren, wie weit man im Kampf um Geld, Erfolg und gesunden Lebensraum gehen darf. Ihr Ehemann Jack, der die Rosen im Garten und den nachmittäglichen Tee liebt, lässt sie widerstrebend das tun, was sie für richtig und wichtig erachtet. Den Zugangscode zu Elizabeth‘ Computer hätte er Sam vielleicht besser nicht genannt.

Scharfzüngig zeigt der Autor den Interessenkonflikt, der weder vor Bestechung, Bedrohung, noch vor der Beugung demokratischer Rechte Halt macht.

Besetzung
Elke Wollmann (Elizabeth (75), Dozentin im Ruhestand, Fracking-Gegnerin), Frank Damerius (Jack (78), ihr Mann, Geschäftsmann im Ruhestand), Marco Steeger (Joe (38), Leiter Unternehmensentwicklung der PR-Agentur Moxley Biggleswade), Janco Lamprecht (Malik (28), Technischer Direktor, Moxley Biggleswade), Thomas Klenk (Hal (58), Geschäftsführer von Deerland Energie), Johanna Steinhauser(Emma (26), seine Assistentin / Junge Frau im Publikum), Jochen Kuhl (Neville (64), Gemeinderat, Vorsitzender des Bauausschusses), Henriette Schmidt (Jenny (42), Anti-Fracking-Aktivistin / Bürgermeisterin (38)), Frederik Bott (Sam (22), Anti-Fracking-Aktivist und Jennys Lebensgefährte / Junger Mann im Publikum)
Kritik

„Ich bin kein Engländer, ich bin Schotte“, scherzt Autor Alistair Beaton nach der erfolgreichen Premiere und spielt damit, na klar, auf den Brexit an.

In seinem Stück „Abgefrackt!“, das nun am Nürnberger Schauspielhaus läuft, bezieht er ebenso eindeutig Stellung gegen das gefährliche Gasgewinnungsverfahren das Fracking. Das nimmt dem Abend nicht seinen bezwingenden Humor.
Im schenkelklopfenden Seniorentreff von „Ewig Jung“ musste Wollmann noch die Pflegerin und damit einzig Junge geben, hier nun darf sie selbst, und sogar in Würde, altem. Statt Scrabble zu spielen mit Ehemann Jack, (mit grauem Bart wie neu: Frank Damerius), wälzt sie als auch schon etwas steife Elisabeth unerwartet energisch Baupläne, macht die kleine Küche zur Kommandozentrale des Widerstands. Und wird, dank Internet, als „Anti-Fracking-Oma“ umgehend berühmt.

Ein politisch akutes Thema, klug, mit kabarettreifem Wortwitz und auch vielen zwischenmenschlichen Tönen aufbereitet: Das ist Alistair Beatons neues Stück „Abgefrackt!“ auf jeden Fall. Und die Leichtigkeit, mit der der britische Autor und Dramatiker selbst ein sperriges Terrain wie die umstrittene Förderung von Gas aus Ölschiefer beschreitet, ist auch in Klaus Kusenbergs umsichtiger Inszenierung erhalten geblieben.

Ein Abend mit schönen Pointen! Und einem Appell, der alterslos gültig ist. Stürmischer Applaus.

Nürnberger Nachrichten – Wolf Ebersberger

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